XC Weissenstein
Seit geraumer Zeit können die aktuellen Wetterlagen nicht wirklich als flugtauglich bezeichnet werden.
Diesen Satz habe ich letztes Jahr bereits geschrieben und leider hat er auch in diesem Jahr Gültigkeit. Föhn; sehr starke Bise und sonstige Flug verhindernden Wetterlagen haben auch diese Saison bisher zu einem zweifelhaften Vergnügen gemacht.
Weil Roland trotz vorhergesagtem Nordwestwind den Streckenflugtag im Jura angesagt hatte, fuhr ich mit gemischten Gefühlen nach Oberdorf bei Solothurn.
Zehn Clubmitglieder trafen sich vor der Talstation der altertümlichen Sesselbahn auf den Weissenstein. Die Fahrt war ein wirklich nostalgisches Erlebnis. Quer zur Fahrtrichtung sitzen und auf dem hölzernen Sitz die Aussicht in's Mittelland bis hin zu Eiger Mönch und Jungfrau geniessen wird nur noch bis Oktober dieses Jahres möglich sein, danach werden dort neue moderne Gondeln in Betrieb gesetzt.
Es ist 11:30 Uhr auf der ungemähten Startwiese voll von Blumen liegen bereits die ersten Hochleister, welche einige Junior Challenge Piloten bald in die Lüfte heben. Relativ problemlos finden sie gute Thermik und gleiten bald unter der tiefen Basis Richtung Biel davon. Erstaunt bin ich über die frühe Startzeit. Roland rät mir jedoch nicht zu lange zu warten, da der Startplatz bei zunehmender thermischer Aktivität keine problemlosen Starts mehr zulassen werde. Schamlos dränge ich mich darauf hin an sämtlichen Clubkollegen vorbei und breite meinen ausgebleichten Schirm aus. Der Start verläuft problemlos, doch die Thermik hat just in diesem Moment abgestellt. Ganz knapp kann ich mich an der Abrisskante halten und nach etwas Höhenverlust hat der Wettergott erbarmen und lässt mich in einer kräftigen Ablösung in den Himmel steigen. Der Norwestwind ist über der Jurakuppe gut zu spüren und die Schirme der nach mir gestarteten Piloten tanzen genauso wie meiner in den eher turbulenten Luftmassen. Kräftige und schnelle Steuerimpulse sind notwendig um meinen Schirm auf Kurs zu halten. Adrian hat die Ablösung direkt vor dem Startplatz mitgenommen und somit etwas Vorsprung erhalten. Gut, dann hänge ich mich eben an den Crack ran. Er fliegt Richtung zweite Jurakrete und drei andere Piloten folgen Ihm dicht an der Austrittskante. Alle haben mehr oder weniger Mühe über dem Relief zu bleiben. Deshalb entschliesse ich mich die Leethremik an der ersten Krete weiter abzureiten. Dies wächst sich teilweise zu einem echten Rodeo aus, mit Steigwerten von bis zu 7m/sec. Selbst mit eingeklappten Ohren sind unter den Wolken noch satte Steigwerte erreichbar. Adrian und seine Verfolger verliere ich bald aus den Augen.
Nach über einer Stunde befinde ich mich kurz vor Biel und versuche die Aussicht auf den Bieler- und Murtensee zu geniessen. Weiter Richtung Romandie gibt es weniger Wolken, deshalb beschliesse ich diesen Ort als Wendepunkt zu ernennen. Nach weiteren 40 Minuten erreiche ich den Startplatz am Weissenstein und fliege weiter Richtung Baslthal. Das Mitteland lockt mit purem Sonnenschein und meine klammen Finger sehnen sich nach etwas Wärme. Weshalb nicht eine Route in's Flachland wagen?
Gedacht getan. Auch unter wolkenlosem Himmel finde ich genug Aufwind um die unsichtbare Basis auf ca 1600 m.ü.M zu erreichen. Ich bin begeistert und bald kreise ich über der Stadt Solothurn. Geniesse die Wärme und die tolle Aussicht auf die Altstadt an der Aare. Nach über zwei Stunden Flug lande ich in Oberdorf auf dem offiziellen Landeplatz am Weissenstein. Ein vollendeter Ziel-Rück Flug liegt hinter mir und ein Glücksgefühl überkommt meine bisher in dieser Saison so arg gebeutelte Fliegerseele. Die oft sportlichen Bedingungen in der Luft sind schnell vergessen und es bleibt nur Freude über den hinter mir liegenden Flug zurück.
Mangels willigen Kollegen gönne ich mir alleine einen kurzen Stadtrundgang in Solothurn. Zu guter Letzt lassen die schon fast tropischen Temperaturen den Eiskaffee in einer Konditorei in der Altstadt zum wahren Vergnügen werden.
Selbst als ich am nächsten Morgen erfahre, dass andere Clubkollegen die hunderter Marke geknackt haben, bleibt in mir eine tiefe Zufriedenheit über (m)ein tolles Flugerlebnis zurück. Die eindrücklichen Szenarien in meiner Erinnerung werden durch einige Fotos, welche ich in den kurzen ruhigen Momenten des Fluges geschossen habe, wach gehalten.
Danke, Roland, für die einwandfreie Organisation dieses tollen Streckenflugtages.
Happy landing
Willi